Dr. Paul Siebert war ein Mann der Tat und so beschleunigte er seine Schritte, als er jetzt im alljährlichen Weihnachtstrubel durch die Kärntnerstrasse bummelte. Es war Samstag, der letzte Einkaufssamstag vor Weihnachten. die Menschen schoben sich aneinander vorbei und drängten in die Kaufhäuser. Es regnete, wie immer hatte er keinen Schirm dabei. Er stellte seinen Kragen hoch und steckte die Hände in die mollig warmen Manteltaschen. Neben ihm hüpfte ein Mädchen fröhlich in eine Wasserlacke und bespritzte seine Hosenbeine. Nahe dran sich zu ärgern, musste er plötzlich lächeln, soviel Lebenslust war ansteckend. Er dachte an seine Tochter. Als sie in diesem Alter gewesen war - die Kleine mochte ungefähr vier sein - hatten sie mit Vergnügen ausgedehnte Regenspaziergänge unternommen, bei denen weder Schuhwerk noch Hosenbeine geschont worden waren, sehr zum Leidwesen seiner Frau. Immer noch lächelnd, kam ihm zu Bewusstsein, wie gut es ihm ging. Sicher, seine Karriere war nicht ganz so verlaufen, wie er sich das gewünscht hätte, aber seine beiden Kinder waren wohlgeraten. Er lebte mit Karoline ein ruhiges Leben, im Berufsleben gab es genug Stress. Heute hatte sein Weihnachtsurlaub begonnen, er schob die aufkeimenden Gedanken an seine Arbeit beiseite. Sie hatten vor, übermorgen, nach dem Weihnachtsabend, in die Berge zu fahren. Seit die Kinder aus dem Haus waren, verbrachten sie die Feiertage in der kleinen Berghütte seines Freundes August. Augusts Frau war vor Jahren bei einem Unfall gestorben, und seither stand die Hütte leer. ‚Vielleicht sollte ich sie kaufen', dachte Paul plötzlich. So sehr er auch ein Stadtmensch geworden war, steckte doch das Kärntner Landei in ihm, das oft eine Auszeit brauchte und die Stille suchte. Er liebte lange Wanderungen in den Bergen oder zog sich in seiner Freizeit mit seinen Büchern zurück, um darin zu schmökern und dazwischen über das Leben im Allgemeinen und sein Leben im Besonderen zu räsonieren. Er war dann schweigsam und in sich verkrochen, ließ sich grade mal zum Essen blicken. Karoline hatte sich oft darüber beschwert. Heuer würde es anders sein, das nahm er sich jetzt vor, als er richtung Graben wanderte und die Auslagen betrachtete. Was würde Karoline eine Freude machen? Sie gehörten nicht zu den Menschen, die sich üppige Weihnachtsgeschenke machten, ihm lag nichts an dem ganzen Weihnachtszinnober, aber eine Kleinigkeit musste es doch sein. Karoline war im Gegensatz zu ihm eine Künstlerin, was das Schenken betraf. Sie schenkte klug, und er war immer wieder verwundert, wie tief sie ihm ins Herz blicken konnte. Als sie beide noch Studenten gewesen waren, hatte sie ihm einen Druck von Picassos Gauklern aus der rosa Periode geschenkt. Obwohl nur ein Druck, hatte das Bild einen edlen, grauen Holzrahmen. Es hing jetzt in seinem Dienstzimmer in der gynäkologischen Abteilung, und wenn er zur Ruhe kommen wollte, versenkte er seine Augen darin. Es blieb seiner Frau auch jedes Jahr überlassen, die Weihnachtsgeschenke für die Kinder und den Rest der Familie zu besorgen. Was war das Richtige für sie? Er schwankte zwischen einem fein ziselierten Silberarmband, nicht grade billig dafür, dass es Silber war (er hatte es in einer Seitenstraße des Grabens vor einiger Zeit gefunden), und einer Sartre-Gesamtausgabe. Karoline war Französischlehrerin und liebte die Existenzialisten. Als er jetzt die frequentierte Buchhandlung zu seiner Rechten betrat, konnte er nicht umhin, auch die Lyrikecke nach Neuerscheinungen abzusuchen. Er entdeckte einen Band mit gesammelten Mayröcker-Gedichten und nahm ihn aus dem Regal. Lyrik, das war wiederum seine Leidenschaft! (In stillen Stunden hatte er sich selbst immer wieder an Gedichten versucht, zwei Notizbücher lagen vollgeschrieben in der untersten Lade seines Schreibtisches). Er sah sich um nach jemandem, der ihm weiterhelfen konnte, fand keinen freien Mitarbeiter und wandte sich zur Kassa, die Schlange davor erregte seinen Unmut. Er hätte zu Anna Moll gehen sollen, ihr kleiner, anheimelnder Laden war nicht nur eine Fundgrube, sondern hatte in seiner Besitzerin auch eine kompetente und belesene Betreuerin, deren Empfehlungen er oft und nicht zu seinem Schaden gefolgt war. Aber heute war wohl auch ihr Geschäft voller Leute. Plötzlich fand er die Idee, Karoline den Sartre zu schenken, äußerst langweilig, früher oder später würde sie ihn wohl selbst gekauft haben, und als er endlich an der Reihe war, verzichtete er darauf, nach dem Buch zu fragen, legte nur den Mayröcker-Band auf den Ladentisch und bezahlte. Als er sich zum Ausgang wandte, entdeckte er eine seiner Patientinnen, die die verbilligten Bildbände studierte. Er blieb, dem Himmel sei Dank, ungesehen und trat auf die Straße. Also doch das Silberarmband? fragte er sich .Er war inzwischen mitten am Graben. Das Gedränge war jetzt vor Ladenschluss noch mehr geworden, er ließ sich vom Geschiebe der Menschen mittreiben und fand sich unversehens vor einer Auslage mit eleganten Damenschuhen. Ein Paar rote Pumps, Sämischleder mit hohen Stöckeln, fing seine Aufmerksamkeit. Was, wenn er Karoline diese Schuhe schenkte? Er betrat den Laden. Der Gedanke begann ihn zu erregen, er war auch ungewöhnlich, Karoline trug eher flache Schuhe, war eher sachlich gekleidet. "Kann ich Ihnen helfen?" Eine zierliche schwarzgelockte Verkäuferin stand neben ihm. Er hörte sich die Schuhe bestellen, "Größe 38, bitte", und schon hatte er die Bankomatkarte in der Hand, wie selbstverständlich beglich er den horrenden Preis. Draußen fielen mittlerweile große, schwere Schneeflocken vom Himmel. Natürlich war die Haube zu Hause geblieben, wie oft hatte ihm Karoline beim Weggehen die Haube in die Hand gedrückt, vergebliche Liebesmüh, auch heute hatte er sie schwungvoll auf die Hutablage zurückbefördert. Ein kleiner Schwindel erfasste ihn und er spürte mit einem Mal wieder den Schmerz in seiner Brust, der ihn in letzter Zeit in immer kürzeren Abständen überraschte. Schnee fällt uns mitten ins Herz … Er erinnerte sich an die Zeile aus einem seiner Lieblingsgedichte. Er beschloss die U-Bahn zu nehmen und noch einmal ins Krankenhaus zu fahren. Sein Dienstzimmer würde ihm die Möglichkeit geben, sich wieder zu fangen, bevor er nach Hause kam. Der Schmerz zog jetzt seine ganze Aufmerksamkeit auf sich, es fühlte sich an, als würde ihm das Herz brechen, ein kitschiges Bild, er wusste nicht, wie er es sich anders beschreiben sollte. Schwerfällig geworden, setzte er ein Bein vor das andere, die Füße fanden den Weg allein und kurze Zeit später stand er in der überfüllten U-Bahn, kaum wusste er, wie er hineingelangt war. Die Nachtschwester würde sich wundern, wenn er heute noch einmal auf der Station auftauchte. Er hätte sich auf Arbeit herausreden können, wirklich warteten Krankenakte auf ihn, die er auf die Nachweihnachtszeit verschoben hatte. Müdigkeit überkam ihn. Gab es denn keinen einzigen Sitzplatz in diesem Waggon? Er verwünschte die Alte, die mit ihren Billa-Säcken zwei Plätze besetzte. Raus, er musste raus hier. Also doch lieber nach Hause. Als er die U-Bahn am Karlsplatz wieder verließ, hasste er sich für die ungewohnte Unschlüssigkeit. Karoline, der diese Wesensart zueigen war, brachte ihn jedes Mal auf die Palme mit ihrem Zaudern. Sie brütete Ewigkeiten vor sich hin, bevor sie eine Entscheidung traf, wog sämtliche Möglichkeiten nach ihrem Für und Wider ab, selbst wenn es sich um Kleinigkeiten, wie den Kauf eines Staubsaugers handelte. Paul brauchte nicht so lang, er fuhr die Rolltreppe hinauf zur Straßenbahnhaltestelle, ungewohnt auch das, normalerweise ging er zu Fuß, immer zwei Stufen auf einmal nehmend. Der Zweier war nicht in Sicht, so stellte er die beiden Plastiktüten auf dem Gehsteig ab, um die eiskalte Hand in der Manteltasche zu bergen. Überflüssig zu sagen, dass er keine Handschuhe trug. Das war etwas für Weichlinge. Er hatte schöne Hände, gut durchblutet und die Frauen hatten ihnen immer wieder Zärtlichkeit und Sensibilität nachgesagt. Er hielt seine Hände sorgfältig gepflegt, was wäre ein Arzt ohne gepflegte Hände .Aber Handschuhe, nein. Er dachte daran, wann ihm zum letzten Mal eine Frau ein Kompliment über seine Hände gemacht hatte? Karoline sagte solche Sachen schon lange nicht mehr, überhaupt waren Worte der Zärtlichkeit rar geworden zwischen ihnen. Gut, seine Patientinnen machten ab und zu Bemerkungen darüber, dass er wohltuende Hände habe, aber das zählte nicht. Sybille fiel ihm ein, seine ehemalige Geliebte. Wie lange war das jetzt her? An die vier Jahre, rechnete er nach, und sein wehes Herz tat einen kleinen Satz, als ihm ihre hellen blauen Augen in den Sinn kamen und die Stunden in ihrem Doppelbett, das die Hälfte ihres Schlafzimmers eingenommen hatte. Ob sie noch in ihrer kleinen Dachwohnung in der Kutschkergasse wohnte? Sybille, das war Aufregung gewesen, ein Kurztrip nach Venedig, Himbeereis bei minus sieben Grad, ein Wohnzimmer ohne Vorhänge, was ihn irritiert hatte. Rote Stöckelschuhe fiel ihm siedendheiß ein, rote Stöckelschuhe, Sybille hatte rote Stöckelschuhe geliebt. Er stand da und schämte sich, er konnte doch Karoline unmöglich diese Schuhe schenken. Er blickte auf die Uhr, zu spät für das Silberarmband, er hatte kein Geschenk für seine Frau. Er verfluchte sich für seine Angewohnheit, alles immer in der letzten Minute zu erledigen. Blieb noch die Möglichkeit, ihr einen Gutschein zu schenken, versuchte er sich zu beruhigen, obwohl ihm bewusst war, dass das ohne Zweifel das miserabelste aller Geschenke war. Eine Straßenbahngarnitur fuhr durch die Station, ohne anzuhalten, Sonderzug informierte ihn ihre Beschilderung, vom Zweier noch immer keine Spur, auch auf diesem Bahnsteig eine Menschentraube. Wenn er nur seinen Wagen lieber benutzt hätte… Wieder stand ihm Sybille vor Augen, die ihn manchmal chauffiert hatte, ihr Lächeln, von dem er nie gewusst hatte, ob es nicht ein klein wenig spöttisch gewesen war. Er könnte sie anrufen, überlegte er, und nach einigem Nachdenken fiel ihm ihre Nummer wieder ein, die er lange aus seinem Handy gelöscht hatte. Das Gebimmel des nächsten Zuges holte ihn aus seinen Phantasien, er stieg ein, da war ein Sitzplatz, noch bevor er richtig saß, holte er das Handy hervor und wählte ihre Nummer. "The number you have dialed, is not available", verkündete das Tonband. Er versuchte es noch einmal, wieder das Tonband. Jetzt begann er an der Richtigkeit der Nummer zu zweifeln, er versuchte die verschiedensten Zahlenkombinationen, manchmal meldete sich jemand, er beendete die Verbindung jedes Mal ohne ein Wort der Entschuldigung, einmal sagte ihm eine Kinderstimme vom Band, dass Cleo, Iris und Max nicht zu Hause waren, und er probierte noch einmal die ursprüngliche Nummer. "The number you have dialed ...", begann das Tonband wieder, bevor er die rote Taste drückte. Er schaute aus dem Fenster. An der nächsten Station musste er aussteigen, dann war er daheim, in seiner Josefstadt-Idylle.
Er betrat die dunkle Wohnung und war erleichtert, als ihm einfiel, dass Karoline heute zu ihrem Kleeblatttreffen gegangen war. Es würde sicher spät werden. Nachdem er seinen feuchten Mantel aufgehängt und die Schuhe, Karoline und den blitzblanken Parkettböden zuliebe, gegen Pantoffel getauscht hatte, machte er in der Küche Licht, holte Brot und Käse, stöhnte über Karolines Angewohnheit, das geschnittene Brot im Kühlschrank aufzubewahren, öffnete eine Flasche Chianti und setzte sich an den Tisch. Sein Blick fiel hinaus ins Vorzimmer und durch dessen offene Tür ins Wohnzimmer, der geschmückte Christbaum funkelte ihm entgegen. Er stand auf und ging mitsamt Rotwein und Käseteller hinein. Die Tanne war heuer in Blau und Silber geschmückt, Karoline hatte sich Mühe gegeben, auch die Geschenke lagen blau verpackt unter dem Baum. Er wusste nicht, wo sie bei ihren zahlreichen Verpflichtungen die Zeit dafür hergenommen hatte. Neben dem schlechten Gewissen, das ihn heute schon zum zweiten Mal packte, bemerkte er auch einen leisen Unmut über dieses Wohnzimmer, das so ganz nach Karolines zwar gutem, aber doch sehr bürgerlichem Geschmack eingerichtet war, statt der hellen Polstermöbel mit den vielen Kissen hätte er graues Leder bevorzugt. ‚Graues Leder', dachte er, ‚und rote Stöckelschuhe.' Was war heute mit ihm los? Sybille war ihm doch schon lange aus den Augen, aus dem Sinn, und plötzlich standen rote Stöckelschuhe in seiner Wohnung. ‚Ich muss sie irgendwo verstecken', befahl er sich. Herausfordernd stand die schwarzgoldene Tüte mitten auf dem Vorzimmerteppich. "Pack mich aus", schien sie zu flüstern. Wie albern, er war doch kein Schuhfetischist. Er nahm die Tasche, brachte sie in sein Zimmer und steckte sie hinter seinen großen Schreibtisch. Als er wieder im Wohnzimmer vor seinem Nachtmahl saß und sich das zweite Achtel einschenkte, spürte er, wie sich Unruhe in ihm breit machte. Er nahm die Fernbedienung und zappte lustlos durch die unzähligen Fernsehprogramme. Selten fand er im Hauptabendprogramm etwas, das ihn fesseln konnte, wieso sollte es heute anders sein? Er hätte sich den neuen Gedichtband vornehmen können, aber als er das Buch aus der Zellophanverpackung genommen hatte, ließ er auch das bleiben. Er begann durch die gepflegte Wohnung zu wandern, etwas zu gepflegt, fand er heute, und ein bisschen wie aus "Schöner Wohnen". Karoline lebte ihre Kreativität im ständigen Umdekorieren der Räume aus, kaum hatte er sich an etwas gewöhnt, wurden wieder Möbel umgestellt, hingen andere Gardinen an den Fenstern, stand eine neue Pflanze auf seinem Schreibtisch… Er ging in sein Zimmer. Unmöglich, die Schuhe konnten nicht in der Wohnung bleiben.
15 Minuten später befand er sich in einem alten weißen Mercedes-Taxi auf dem jetzt nur spärlich befahrenen Gürtel. Kutschkergasse 1 hatte er dem Taxler gesagt und saß jetzt schweigend auf dem Rücksitz, leicht zitternd. Was, wenn ein Mann öffnet? Er versuchte, den Gedanken wegzuschieben und sich zu beruhigen. "It's hard to understand this", sang Marla Glen im Radio. Er wollte nur die Schuhe vorbeibringen, das war alles. "Musik zu laut?", fragte ihn der afrikanische Fahrer, er verneinte. Was sollte er ihr sagen? Dass sein Herz schmerzte? Dass er sie vermisste? Dass ihn der Christbaum zu Hause nervte? Dass er schon lange kein Gedicht mehr geschrieben hatte? Er stellte sich vor, wie sie ihm die Tür öffnen würde, in ihrem mit Farbe übersäten Arbeitsoverall, die rote Brille auf der Nase. "Na, mein müder Krieger", würde sie sagen, "komm rein, ich bin gleich fertig." Sie würde ihm vorausgehen, vorbei an der Kochnische in den geräumigen Wohnraum, der ihr gleichzeitig als Atelier diente. Und dann würde sie ihren Overall abstreifen und in Boxershorts vor ihm stehen, einen Farbklecks auf der rechten Wange , die Hände von sich streckend, um ihn nicht zu beschmutzen, während er sie küsste. Wie sinnlich jeder ihrer Küsse gewesen war, bei ihr hatte es ihn nicht gestört, dass sie Raucherin war. Unvermittelt hielt der Wagen. "Schöne Feiertage", wünschte ihm der Mann, während Paul ihm einen Zehneuroschein in die Hand drückte und auf das Retourgeld verzichtete. Er stieg aus und stand mit weichen Knien auf dem Trottoir, direkt vor Hausnummer 1. Hastig überflog er die Gegensprechanlage, die vor vier Jahren noch nicht da gewesen war. Sybille Dobes, Top 11, stand neben dem obersten Klingelknopf, er wollte läuten, das Herz klopfte bis zum Hals. Als er sich im Haus Schritte nähern hörte, trat er zurück und ging ein paar Meter weiter. "Feigling", sagte er sich, drehte um, stand wieder vor dem Eingang, drückte auf den Knopf neben dem Schild Zahnarzt, 2. Stock, und wirklich ertönte ein Summen und das Tor ließ sich öffnen.
Er erreichte schnaufend den obersten Treppenabsatz im Dachgeschoß und versuchte sich zu sammeln. Musik und Stimmengemurmel drang aus ihrer Wohnung. Verwirrt starrte er die niedere, weiße Tür an, eine zeitlang blieb er so, das Licht im Treppenhaus erlöschte und ging kurze Zeit später wieder an. Der Vorgang wiederholte sich, plötzlich hörte er jemanden in den fünften Stock heraufkommen. Er wollte klingeln. "Bevor wir jetzt beide weinen", hatte sie gesagt, als sie zum Abschied beim Italiener gesessen waren, und war aufgestanden und gegangen. Er spürte, wie ihm Tränen in die Augen traten, machte eine Kehrtwendung und befand sich wieder auf dem Weg nach unten. Ein grauhaariger Herr, mit einer kleinen Fichte unterm Arm, kam ihm entgegen. "Jessas, der Herr Doktor", rief er aus, als er Paul erkannte. "Wollten Sie zur Frau Dobes? Is a scho wieder a Joah hea, dass` auszogn is. No, die hat ja a Stipendium kriagt fia Berlin, aber des weans jo eh wissen…" Fragend hob er die rechte Augenbraue. Paul entrang sich ein paar höfliche Worte, dann nahm er die restlichen vier Stockwerke nach unten im Laufschritt. Auf dem Heimweg zu Fuß, begegnete er einem Rosenverkäufer. Er drückte dem verblüfften Mann die vornehme Plastiktüte in die Hand. "Das können Sie ihrer Frau schenken" sagte er mit belegter Stimme, "Frohe Weihnachten".