In nachstehendem Bericht informiert uns Erich Göschl über seine Erlebnisse und Eindrücke von Uganda, Afrika:
„Afrika! Afrika!“
Afrika als Kontinent kann man mögen oder nicht. Afrika bleibt aber in seiner Faszination und Eigenart bei allen, die diesen Erdteil einmal besucht haben, in bleibender Erinnerung. Afrika ist kein Einheitsgebilde, sondern jeder Landstrich, jedes Gebiet und jedes Land hat seine Eigenheiten und Gebräuche.
2012 reiste ich zum ersten Mal nach Uganda. Eine liebe Freundin, die seit 2006 in dem Land lebt und in einer christlichen Mission eine Töpferei betreibt, fragte mich, ob ich nicht zu ihnen kommen und dort meine berufliche Erfahrung einbringen könnte. Da ich schon seit ein paar Jahren in Pension bin, sagte ich zu, und so flogen meine Frau und ich Anfang Februar nach Uganda.
Uganda, von dem Winston Churchill behauptete, dass es „die Perle Afrikas“ sei, liegt östlich der Erdteilmitte. Der Äquator durchquert das Land, und auch der drittgrößte Binnensee, der Victoriasee, grenzt daran. Uganda ist etwa sechsmal größer als Österreich und hat ungefähr 31 Millionen Einwohner mit ca. 60 verschiedenen Ethnien. Von 1893 bis 1962 war das Land eine britische Kolonie, was bis heute nachwirkt. Man merkt es an vielen Gegebenheiten, wie zum Beispiel, dass Linksverkehr herrscht, die Amtssprache Englisch ist und die Verwaltung sich noch an englischen Vorbildern orientiert.
Wie jedes Land, das von den Kolonialmächten in die sogenannte Unabhängigkeit entlassen wurde, hat auch Uganda schwierige Zeiten hinter sich. Die Schreckensherrschaft von Idi Amin in den Jahren 1971-1979 ist noch immer in den Köpfen der Bevölkerung und auch in europäischer Erinnerung. Von 1986 bis heute (2017) ist Yoweri Museveni Präsident der Republik Uganda, und sowohl mit der Wirtschaft des Landes als auch mit seiner Demokratie geht es langsam aber stetig bergauf.
Als wir am frühen Nachmittag am Flughafen Entebbe ankamen, umfing uns gleich nach dem Aussteigen aus dem Flugzeug die Wärme. Später, während der Fahrt mit dem Bus zur Mission, strömte uns „der Geruch Afrikas“, wie ich es nenne, entgegen. Unzählige Holzkohlenfeuer, der Müll, der in den Straßengräben liegt und manchmal brennt, dazu der Gestank von Autoabgasen; das ist für mich der Geruch Afrikas. Die Autofahrt durch die Hauptstadt Kampala und dann noch zur Mission - insgesamt nur ca. 80 Kilometer - dauerte vier Stunden, und das ohne Klimaanlage bei brütender Hitze. Die Straßen waren ein schmales Asphaltband, umfasst von einem staubigen Rand, auf den wenige große Autos ausweichen mussten, wenn ein Lastauto oder ein Bus entgegenkam. Dazwischen die Bodaboda: Kleinmotorräder, auf welchen zwei bis fünf Personen Platz nehmen und sonst noch allerlei Waren transportiert werden.
In der Mission, die von einer Österreicherin geführt wird, sind Schulen, Kindergärten und Handwerksbetriebe angesiedelt. Auf ungefähr 64 Hektar Grund leben etwa 800 Personen, davon ca. 700 Menschen im Alter von zwei bis 20 Jahren, die ihrer Schulpflicht nachkommen und danach eine berufliche Ausbildung machen.
Nachdem uns die Zimmer zugewiesen wurden, brauchten wir noch ein paar Tage, um uns zu klimatisieren und auf das Leben vor Ort einzustellen. Man zeigte mir die Werkstatt, in der Reparaturen erledigt und neue Werkstücke gefertigt wurden. Elektriker, Schlosser und Installateure hatten eine gemeinsame Halle. Der Chef dieser „Maintenance“, der Instandhaltungswerkstatt, war Steven, ein Elektriker, der sich gut mit elektrischen Geräten auskannte, aber nicht viel von Metallbau und Eisenbearbeitung verstand. Ihm zur Seite stand ein gerade mit der Ausbildung fertig gewordener junger Mann, Dennis.
Da die Zeit - nur 14 Tage - zu kurz war, beschloss ich, im nächsten Jahr 2013, Anfang Jänner bis Mitte März, wiederzukommen. So entwickelte sich in den nächsten Jahren eine enge Zusammenarbeit mit allen Handwerkern in der Mission, insbesondere mit den Schlossern. Zu den Mitarbeitern, den zwischen 22 und 30 Jahre alten Burschen, entstand eine Freundschaft, ja fast eine Vaterrolle. Ich nenne sie gerne „meine Buben“, die fünf bis sechs Mitarbeiter der Werkstatt. Dennis ist seit drei Jahren der „Boss“ der Truppe. Ich konnte ihn in puncto Ausführung und Arbeitspraktiken, wie sie in Europa Standard sind, viel lehren. Er hat sich das alles zu eigen gemacht, und zwar so gut, dass er seit ein paar Jahren eine eigene Werkstatt außerhalb der Mission betreibt. Dort fertigt er Türen, Fenster, Gitterbetten und andere Schlosserarbeiten an, wobei er von zwei Mitarbeitern unterstützt wird. Ich bin seit sechs Jahren immer wieder jährlich für acht bis zehn Wochen dort und habe in dieser Zeit so manches Abenteuer erlebt, jedoch im Großen und Ganzen einen positiven Eindruck der Menschen gewonnen.
Das Alltagsleben der meisten Leute ist immer vom Weiterkommen und etwas Schaffen geprägt, die Mehrzahl der Bewohner ist unter 30 Jahre alt, die Geburtenrate hoch (fünf bis sechs Kinder). Auf dem Land wohnen ca. 70 Prozent der Bevölkerung, größtenteils in Hütten ohne Strom und Wasser. Zur Feldarbeit - Wasser holen, Holz sammeln - und Hausarbeit werden nur Frauen und Kinder eingeteilt. Das ist alte Stammestradition.
Einige Erlebnisse während meiner Aufenthalte möchte ich erzählen:
Aufenthalt 2014 (I.)
In die Mission eingegliedert ist auch ein kleines Hospital, in dem Malaria-Blutproben untersucht und kleine Verletzungen behandelt werden. Auch andere Behandlungen werden gemacht, zum Beispiel das Anlegen und Wechseln von Wundverbänden, und solche gegen alltägliche Durchfälle, sogar zahnärztliche Versorgung wird geboten. Medikamente werden dort außerhalb der Mission wohnenden Personen ebenso verschrieben.
Als ich im Jahr 2014 wieder in die Mission kam, waren dort im Herbst des Vorjahres zwei Zahnbehandlungsstühle als Geschenke aus Deutschland angekommen. Der einheimische Zahnarzt behandelte die Patienten auch so mit Bohren und Zahnpflege, obwohl aus dem Bohrkopf kein Wasser herauskam. Ein deutscher Zahnarzt, Professor der Zahnheilkunde, pensioniert, etwa 73 Jahre alt, war zu dieser Zeit ebenso in der Mission, um einen Monat lang auszuhelfen und sich die Gebisse der Leute genau anzusehen. Schon am zweiten Tag seiner Tätigkeit kam er händeringend mit dem Langenscheidt, da er des Englischen nicht so geübt war, zu uns in die Werkstatt und klagte Steven sein Leid. Dass aus dem Bohrkopf kein Wasser käme, und der Sitz ließe sich nicht mehr verstellen. Steven fragte mich, ob ich mitkommen und mir das Gerät mit ihm anschauen könnte.
Als Erstes suchten wir nach dem Wasserzufluss. Nach langem Suchen fanden wir unter dem Sitz, durch eine Klappe verdeckt, eine Flasche, in der normalerweise destilliertes Wasser sein sollte. Es war nur mehr wenig Inhalt in der Flasche, und der war grünalgig, ebenso die Inhalte der Wasserschläuche. Wir reinigten Flasche und Leitungen und füllten, mangels destillierten Wassers, gewöhnliches ein. Danach mussten wir noch die Druckluft, die das Wasser zum Bohrkopf beförderte, richtig einstellen. Wir öffneten das Tableau, in dem alle Schläuche und Verbindungen zusammenliefen, und nach mehreren Versuchen gelang es uns endlich, einen Wassersprühnebel am Bohrkopf zu erzeugen. Halleluja! Nach mehrmaligem Umstecken der E-Anschlüsse im Tableau funktionierte auch wieder die Hydraulik zum Verstellen des Sitzes.
Für diese Arbeit brauchten wir fast einen Tag, aber Zeit spielt hier sowieso keine Rolle. So hatte ich zum ersten Mal in meinem Berufsleben ein medizinisches Gerät wieder in Gang gebracht. Als Dank für unsere Hilfe bot uns Professor Dr. Wieland eine kostenlose Gebissnachschau an, die Steven dankbar ablehnte, ich aber ließ mir eine Mundhygiene machen.
Aufenthalt 2014 (II.)
Langsam hatte ich mich wieder eingelebt. Mein neues Quartier bei den Volontären war leider nicht sehr groß, aber für eine Person reichte es, und ich hatte Dusche und WC für mich allein.
Wir, die Schlosser und die Metallverarbeiter, hatten eine neue Werkstatt zwischen dem Mädchen- und dem Burscheninternat, also nicht mehr bei den Elektrikern und den Installateuren, sowie einen großen Raum, darin beidseitig je einen Container als Lager. Der Chef dieser Metallwerkstatt war jetzt Dennis.
Als ich am Morgen in die Werkstatt kam, waren außer Dennis zwei weitere Mitarbeiter anwesend, die ich noch nicht kannte: Julius, ein etwa 30-jähriger, der immer überall in der Mission war, nur nicht an seinem Arbeitsplatz, und Inocent, ein junger Mann, der zwar nicht der Schnellste war, aber immer fleißig und gewissenhaft arbeitete. Sie hatten während des Jahres schon so manche Reparatur und Neuanfertigung gemacht.
Dennis sagte mir, dass ich mit ihm um 10.00 Uhr bei „Henry“, dem neuen Prinzipal der Mission sein sollte. Als wir in seinem Büro eintrafen, stellte er sich als Heinz F. aus Deutschland vor, 55 Jahre alt und für Mama Maria als Generalmanager der Mission für Bau, Reparatur, Erneuerung und andere Dinge zuständig. Er fragte mich, was ich hier so mache. Ich sagte ihm, dass ich Schlossermeister wäre, aus Österreich komme, bis zu meiner Pension einen Metallbaubetrieb hatte und etwa 60 Lehrlinge ausbildete. Er redete viel und pries sich als den Mann, den die Mission brauchen würde. Im Laufe meines weiteren Aufenthaltes bemerkte ich, dass er, was meinen Beruf anging, nicht viel Ahnung hatte.
Er beauftragte uns, darüber nachzudenken, wie man für die Küche des Hotels einen Dunstabzug beschaffen oder anfertigen könne. Da ich in meiner beruflichen Laufbahn schon mehrere Dunstabzugshauben unterschiedlicher Größe gefertigt hatte, war dies keine schwere Aufgabe, und nach Maßabnahme vor Ort begann ich mit der Zeichnung und dem Materialauszug des Abzuges. Danach teilten wir die Kosten dem Prinzipal mit, und er versprach, die Bezahlung des Materials mit der Hotelleiterin zu besprechen.
Wochen vergingen, in denen wir über den Dunstabzug nichts hörten.
14 Tage vor meiner Rückreise, nach zehn Wochen Aufenthalt, kam die Hotelleiterin zu mir in die Werkstatt und fragte nach, wie es denn mit dem Dunstabzug stände? Ich sagte ihr, dass wir noch keinen Auftrag und auch kein Geld dafür bekommen hätten. Sie war ganz verwundert, hatte sie doch schon vor vier Wochen dem Prinzipal den Auftrag dazu erteilt und ihm auch Geld gegeben. Nach Rücksprache mit ihm stellte sich heraus, dass er uns nicht zugetraut hatte, einen Dunstabzug zu fertigen, und er eine Firma in Kampala beauftragt hatte. Auch eine Anzahlung wurde schon getätigt. Nur hatte die Firma bis dahin noch gar keine Naturmaße genommen, geschweige denn mit der Fertigung begonnen. Die Hotelleiterin beauftragte mich mit der Koordination und der Fertigung des Dunstabzuges, gab mir Geld zur Materialbeschaffung, und schon am nächsten Tag fuhren Steven, Dennis und ich nach Kampala, um das Material zu besorgen.
Der Dunstabzug hatte die Maße 250 (Länge) mal 125 (Breite) mal 120 (Höhe) Zentimeter und einen quadratischen Aufsatz von 80 mal 80 Zentimeter zur Aufnahme eines Ventilators, der den Dunst abzusaugen hatte. Der Mantel sollte aus rostfreiem Stahlblech sein, und die Blechtafeln mussten wir auch bestellen. Den Ventilator bekamen wir in einem der vielen Geschäfte im Zentrum von Kampala, wo ein Vorwärtskommen mit einem Auto fast unmöglich war. Wir benutzten zwei Bodaboda dazu.
Die Geschäftsführerin des Elektroladens war eine junge Inderin, wie fast alle Handelshäuser in indischer Hand sind, und garantierte uns, dass der Motor stufenlos zu regeln wäre und die Luftmenge bewältigen würde. Nach Einbau und Probelauf kamen wir darauf, dass dem nicht so war. Als wir den Motor umtauschen wollten, stellte sie sich anfangs taub und behauptete, dass wir den Motor absichtlich kaputt gemacht hätten. Nachdem ich ihr aber mit der Polizei wegen Betrugs am Kunden gedroht hatte, tauschte sie uns den Ventilator kostenlos aus.
Ein paar Tage später holten wir das Niro-Blech ab. Um 08.00 Uhr früh wollten wir mit einem Toyota-Kleinbus wegfahren und hatten dem Fahrer aufgetragen, die hinteren Sitze auszubauen, damit wir die Blechtafeln - zwei Stück zu je 122 mal 244 Zentimeter - einladen könnten. Er kam ca. eineinhalb Stunden später, hatte die Sitze nicht ausgebaut, und als wir ihn fragten, warum das so sei, antwortete er, dass Mama Maria, die Missionschefin, angeordnet hatte, dass noch drei Damen mitfahren sollten, die in Kampala verschiedene karitative Institutionen besuchen würden. Während ich vorne beim Fahrer saß und die Damen die hinteren Sitze in Beschlag nahmen, mussten Steven und Dennis hinten auf den Radkästen Platz nehmen. Es war - wie immer - starker Verkehr, und so kamen wir nur langsam in die Stadt. Nachdem wir die Damen bei der ersten Adresse aussteigen ließen, fuhren wir zum Metallhändler und kauften das Blech.
Nun sollten wir noch einen Blechschneide- und Abkantbetrieb finden. Dennis hatte eine Adresse, die wir nach langem Suchen auch erreichten. Sie war mehr eine Baracke, der Hof war mit einer Plane überdacht, und unter Gerümpel und anderen Blechteilen standen eine drei Meter breite Schere und eine Abkantpresse mit Digitalanzeige. Nachdem ich dem zuständigen Chef und einem Arbeiter die Zeichnungen mit Händen und Gebärden erklärt hatte, zeichneten wir die Teile auf den Blechplatten an und schnitten und kanteten sie nach den angegebenen Winkeln. Wir verstauten die Teile im hinteren Teil des Busses, sodass wir kaum noch sitzen konnten, zumal die Damen auch noch „shoppen“ waren, überladen mit Paketen. Spät am Abend kehrten wir zurück.
Die nächsten Tage waren mit dem Zusammenbau und dem Schweißen der Teile ausgefüllt. Nach der Montage an der Küchendecke musste noch ein Luftabzugsrohr durch ein Fenster ins Freie geleitet werden, wozu wir ein Rohr mit 200 Millimeter Durchmesser verwendeten. Wir benötigten eine Länge von ungefähr drei Meter und besorgten es bei einem Händler in Mukono, der nächstgelegenen Stadt. Dieses Rohr war jedoch viereinhalb Meter lang, und so mussten Dennis und ich auf einem Bodaboda mit langer Sitzbank und einem Fahrer, das Rohr auf den Schultern haltend, 20 Kilometer bis zur Mission bewältigen.
Das war im Februar 2014, und der Dunstabzug funktioniert bis heute (2017) einwandfrei.
Doch trotz aller Aufregungen und manchen Ärgers liebe ich dieses Land; wegen seiner Gegensätze, seiner roten Erde, seiner grünen Felder und Wälder, seiner Bewohner und ihrer Behausungen, seines Verkehrs auf den Straßen, auf denen meistens der Stärkere recht hat, der Gelassenheit, mit der die Bevölkerung manche Unbill auf sich nimmt, der Religiosität der meisten Leute, gleich, welcher Konfession sie sind, und der vielen jungen Menschen, die eine bessere Zukunft erhoffen.
Es gäbe noch vieles zu erzählen und manches Abenteuer zu berichten. Ich werde, wenn es meine Gesundheit zulässt, wieder nach Uganda reisen. Das Land hat mich in seinen Bann gezogen.
Weebale! (Danke!)